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Aktuell

Milano 2024

Die diesjährige Studienreise des 3. Lehrjahres begann mit der Begegnung von Boris Becker am Briger-Bahnhof. Dieses aussergewöhnliche Treffen löste unterschiedliche Reaktion aus, über die wir alle lachen können. Nach einem Nachmittag Zugfahrt, voller schlafen, «Wer bin ich?» und einer halben Stunde Verspätung, trafen wir in Mailand ein. Die kurze Strecke zum gut gelegenen Hotel konnten wir laufen. Nach dem kurzen Check-In machten wir uns auf den Weg, um in Navigli Abendessen zu gehen.

Milano Unica

Unser erster Besuch in war die Milano Unica, die Stoffmesse für Stoffhändler und Einkäufer. Im Eingangsbereich erwarteten uns Unmengen von neuen Trendstoffen für den Sommer 2025. Hier konnten wir uns inspirieren und Händler ausfindig machen, welche wir uns genauer anschauen möchten. Es war nicht einfach, das anhand eines einzigen Stoffes zu entscheiden, jedoch wäre es unmöglich, alle Händler zu besuchen. Ein ganzer Bereich der Messe war nur von japanischen Händlern besetzt. Die Japaner sind absolut führend in den Trends und unglaublich kreativ im Designen von Stoffen.
Unsere Aufgabe war es neue Stoffhändler für die SMG zu entdecken. Die Herausforderung hierbei war es, Lieferanten zu finden, welche auch Kleinmengen verkaufen. Es ist uns gelungen 4 moderne Händler zu gewinnen, welche uns mit Stoffmustern beliefern. Bei Alumo, welcher bereits einer unserer Lieferanten ist, hatten wir einen Termin vereinbart. Sie sind spezialisiert für Hemdstoffe. Dabei erzählten sie uns, dass sie auch Prada, Chanel, Louis Vuitton und weitere grosse Namen als Kunden haben. Die Baumwolle für die weissen Stoffe beziehen sie aus Amerika, da diese weniger Unreinheiten aufweist als jene aus Ägypten, welche sie für die farbigen Stoffe verwenden. Die Stoffe werden von der Schweizer Firma Cilander AG veredelt. Alumo zählt zu der Slow-Fashion Industrie.
Für uns war die Messe eine neue Erfahrung und wir mussten teilweise auch überwinden, direkt auf die Händler zu zugehen, was unser Selbstbewusstsein gefördert hat. Wir konnten auch unser Wissen in der Materialkunde testen, indem wir durch den Griff versuchten das Material zu benennen. Wir wissen nun, mit etwas Mut kann sogar der kleinste Schneider Stofflieferanten für sich gewinnen.


Werkstätte der Scala

Nach unserem Mittagessen in einem veganen Restaurant wurden wir in der Werkstatt der Scala herzlich empfangen. Schon nach nur ein paar Schritten in die Räumlichkeiten hat es uns buchstäblich aus den Socken gehauen. Wir waren beeindruckt von der Grösse und Detailliertheit der gerade ausliegenden Bühnenbilder. Wie erfuhren, dass jede der verwendeten Farben eigens für das entsprechende Material gemischt wird. Denn ein Bühnenbild besteht nicht mehr nur aus gemalten Bildern, sondern auch meist aus Styropor gefertigten Kulissen. Alle Teile, welche keine Menschen halten müssen, werden aus möglichst leichten Materialen hergestellt, damit sie gut bewegt werden können. In der Scala selbst, sind die Bühnenbilder von bis zu 3 Werken gleichzeitig angebracht. Sie können entweder nach oben, unten oder teilweise auch zur Seite verschoben und so versteckt werden. Wir kamen nicht mehr aus dem Staunen heraus und konnten uns an all den Modellen und Werken in Arbeit kaum satt sehen. Wir hatten an diesem Tag sehr grosses Glück und dürften, weil gerade Pause war, auch ganz kurz ins Schneideratelier hineinschauen. Das kreative Chaos, welches wir dort antrafen, war nicht weniger beeindruckend als die bisherige Werkstatt. Die Zeit verging wie im Fluge und schon war unsere Führung zu Ende. Nach ein wenig Shopping gab es noch das gemeinsame Nachtessen bevor wir zurück ins Hotel gingen, um für den nächsten Tag fit zu sein.

Gianfranco Ferré

Am zweiten Tag besuchten wir das Archiv von Gianfranco Ferré. Er war ein berühmter Designer, der auch für Dior gearbeitet hat. Entdeckt wurde er durch seine Schmuckkreationen, welche er für seine Freunde Studium angefertigt hatte. Er schloss ein Studium in Architektur ab, welches einen grossen Einfluss auf seine Kreationen hatte. Zu sehen ist dies vor allem an den klaren Linien seiner Zeichnungen und Modellen. Er konnte zwar selbst nicht nähen, hatte jedoch ein grosses Wissen im Bereich der Schnitttechnik und anderen Handwerken. Er zeichnete sehr gerne und fertigte von jedem Modell ein Runway-Skizze an. Dies mit der Begründung, dass er die Bewegung des Outfits erkennen und festhalten wollte, was bei Fotos verloren geht. Bei allen Zeichnungen sind der Hüftbogen und Schulterverlauf klar definiert, der Kopf jedoch ist oft nur mit einem Kringel oder sogar nur durch die Accessoires dargestellt. Er hatte ein gutes Verhältnis zu seinen Mitarbeitern und sie wussten, wie er seine Modelle verarbeitet haben wollte. Es war sicher auch von Vorteil, dass die Produktion im Haus oder in der Nähe war, denn auch bei seinen technischen Zeichnungen sind nicht alle Verarbeitungsdetails erkennbar. Er hatte im Verlauf seiner Karriere verschiedene Marken im Bereich Prêt-à-porter, aber auch Runway-Fashion. Er befasste sich gerne und oft mit der weissen Bluse und entwarf viele Variationen dazu. Ein Oberteil welches er z.B. kreierte, hat den Schnitt eines Kragens mit Steg. Dieser Schnitt hat er aber so vergrössert und angepasst, damit ein Wickeloberteil entsteht. Seine oft «einfachen» Schnitte werden durch spezielle Details zu etwas Besonderem. Z.B. entwarf er ein Kleid, welches nur aus einem Rechteck mit drei Löchern besteht und durch die mit einer grossen Nadel befestigten Drapierung zu einem einzigartigen Modell wird. Für Inspirationen ist er oft gereist. Besonders Indien und Lateinamerika haben ihn stark fasziniert. Bei einer Kollektion hat er sich vom Amazonas inspirieren lassen und Schmuck auch aus Holz gefertigt. Zu alldem dazu unterrichtete er an der Universität. 3 Tage vor seinem Tod hielt er dort seine letzte Lektion über Mode & Design.
Viele von uns kannten ihn vor dieser bleibenden Führung noch nicht. Wir sind aber alle sehr beeindruckt von seinen Werken.


NABA

Nachdem wir unsere Energiereserven beim Mittagessen wieder aufgefüllt hatten, machten wir uns auf den Weg zu NABA. Wir merken schon früh, dass wir uns dem Ziel nähern, als sich die Outfits der Personen auf der Strasse deutlich verändert haben. Auf dem Gelände selbst, waren wir aber nicht nur von den individuellen Styles beeindruckt, sondern auch von den schönen Gebäuden mit grossem Innenhof. Auch hier erhielten wir eine Führung, welche zum Teil auch Frau Rosano übernommen hat. Wir durften in verschiedene Gebäude, in welchen die Studierenden unterschiedliche Kurse belegen. Je nach Lehrjahr haben sie verschiedene Schwerpunkte und dürfen sich aber auch in den Ateliers anderer Bereiche austoben. In den Räumen, welche wir besuchen durften, wurden Schnitte hergestellt, drapieren gelernt, genäht, aber auch gewoben, gestrickt oder gefärbt. Die Schule hat ihren eigenen kleinen Garten, in dem sie die Pflanzen für ihre natürlichen Färbemittel selber anbauen. In einem der Gebäude befindet sich nebst den technischen Werkstätten auch ein Raum mit 3D-Drucker. Diese dürfen die Lernenden mit Unterstützung auch für die Realisierung ihrer Projekte verwenden. Die NABA bietet also eine grosse Vielseitigkeit an, welche jemand von uns vielleicht in Zukunft nutzen wird.

Laura Bachmeier

Am Samstagmorgen durften wir das kleine Atelier der talentierten Schneiderin Laura Bachmeier besuchen. Sie erzählte uns zuerst von ihrer Vorgeschichte: Sie hat in Deutschland zuerst Damen- und im Anschluss auch noch Herrenschneiderin gelernt.  Durch ein Erasmusprogramm erhielt sie die Möglichkeit ein 6-monatiges Praktikum in Italien zu absolvieren. Sie arbeitete dann 6 Jahre bei einer grossen italienischen Marke, bevor sie sich selbstständig machte und ihr Atelier mit Fokus auf der traditionellen Herrenschneiderei gründete. Ihr grosses Glück war es, dass sie das umfangreiche Stofflager eines verstorbenen Schneiders erhielt. Er war einer ihrer ehemaligen Arbeitgeber und sie einigte sich mit seinen Kindern darauf, die Stoffe sehr günstig zu erhalten. Die Stoffe sind sehr hochwertig und teilweise noch aus den 70er Jahren. Dass sie so alt sind, macht sie nicht nur in Bezug auf ihre Verfügbarkeit exklusiv, sondern auch qualitativ wertvoll. Denn es sind grösstenteils Wollstoffe, deren Fasern bei der Stoffproduktion stark strapaziert werden. Konnten sie nun mehrere Jahre ruhen, hatten die Fasern Gelegenheit sich zu erholen und lassen sich viel besser weiterverarbeiten. Die hohe Qualität der Produkte ist auch den Kunden von Frau Bachmeier bewusst, weshalb sie auch bereit sind, mehrere Tausend Euros für einen massgeschneiderten Anzug auszugeben. Teilweise reist sie auch zu ihren Kunden, welche auch in Belgien oder England zuhause sind. Dies ist nicht nur ein guter Kundenservice, sondern gibt ihr auch die Möglichkeit neue Kunden zu gewinnen, denn viele nehmen Freunde zu den Anproben mit. Sie versucht mehrere Termine an einem Tag zu haben, damit sich ihre Kunden auch gegenseitig kennenlernen, aber auch um ihre Reisekosten besser aufteilen zu können. Dass die Kunden ihre Reise bezahlen, erzählt sie ihnen aber nicht, sondern addiert den Betrag z.B. beim Stoff dazu. Allgemein schlüsselt sie die Preise nicht so auf wie wir das tun. Sie schreibt also nicht einzeln auf wie viel die Knöpfe, das Futter, der Faden, etc. kostet. Die Herren sind mit dem Schlusspreis zufrieden, denn sie erhalten dafür ein sehr hochwertiges Produkt, zu welchem der Preis passt. Für ein Anzug braucht Frau Bachmeier 60-80 Stunden. Da sie alle nach der traditionellen Herrenschneiderei fertigt, werden nur die Abnäher, Taschen, Seiten-, Rücken- und Ärmelnaht mit der Maschine geschlossen. Alles andere wird von Hand genäht. Das Wissen über dieses spezielle Handwerk geht aber leider verloren, weil vieles nur in den Köpfen der alten Schneider vorhanden ist. Deshalb ist es Frau Bachmeier wichtig, ihr Gelerntes weiter zu nutzen und das Handwerk am Leben zu erhalten. Sie hat das Gefühl, dass die Tradition der massgeschneiderten Anzüge langsam wiederauflebt, denn sie hat vermehrt auch wieder jüngere Kunden. Beim Mini-Rundgang in ihrem Atelier fiel uns auf, dass sie nur ein Holzbrett als Bügelunterlage hat. Sie hat uns erklärt, dass das bei Herrenschneidern üblich ist. Denn auch hier geht es wieder um die Qualität der Wollstoffe. Diese sollte man beim Verarbeiten nur mit wenig Dampf behandeln und auch nicht den Abzug verwenden, weil es ansonsten wieder den gleichen Effekt auf die Fasern hat, wie schon die Produktion. Ausserdem nimmt das Holz Feuchtigkeit gut auf, weshalb ein wenig Dampf kein Problem darstellt. Ebenfalls bestaunt haben wir einen Ärmel, welcher mit wunderschönen handgestickten Seidenknopflöchern versehen war. Wir konnten es fast nicht glauben, dass diese perfekten Löcher nicht maschinell eingearbeitet wurden. Um einen Seidenfaden langlebiger und glänzender zu machen, kann man ihn durch Bienenwachs ziehen. So hält ein Knopfloch sicher 30 Jahre. Die Knopflochknoten werden dadurch auch feiner, was Frau Bachmeier jedoch nicht mag. Das Knopfloch zudem auch härter, weshalb sie selbst den Faden meistens nicht behandelt. Für die Platzierung der Ärmelknöpfe hat sie definierte Masse: mind. 3.5cm vom Saum, 1.2-1.3cm von der Schlitzkante und die Knöpfe so, dass sie sich leicht berühren, aber nicht überlappen. Nach dem abschliessenden Gruppenfoto haben wir uns verabschiedet und genehmigten uns eine Kaffeepause.

Storecheck

Weil es in Mailand viele Geschäfte grosser Modehäuser gibt, kamen wir nicht drumherum in kleinen Gruppen ein paar zu besuchen. Es ist ein spezielles Gefühl einen solchen Laden zu betreten, nicht nur wegen der Türsteher, sondern auch weil man direkt vom Personal begutachtet wird. Die Angestellten gingen je nach Geschäft sehr unterschiedlich mit uns um. Einige waren sehr freundlich und zuvorkommend wohingegen andere uns mit Argusaugen beobachteten. Das Shoppingzentrum für «Normalsterbliche» besuchten wir auch noch, jedoch nur für eine WC-Pause, denn es hatte viel zu viele Leute, um sich gut bewegen zu können…

Duomo

Als letztes Highlight besuchten wir den berühmten «Duomo di Milano». Das Innere war sehr beeindruckend mit alle den Säulen und aufwändigen Glasfenstern. Während wir drinnen waren, begann die Sonntagsmesse mit Orgel und Solist. Die «furchtlosen» von uns gingen anschliessend noch auf das Dach des Domes. Dabei wurde uns der Luxus zu Teil, dass wir mit dem Lift nach oben fahren durften. Die beeindruckenden Türmchen und Skulpturen in gotischen Stil boten eine großartige Kulisse für ein paar Fotos. Nach dem Dombesuch gingen wir nochmals kurz zum Hotel, unsere Koffer holen. Und nach einem kurzen Stopp, um Verpflegung zu kaufen, fuhren wir schon nach Hause.

Diese multilinguale Reise wird uns allen gut in Erinnerung bleiben und wir freuen uns, noch lange über das ein oder andere Erlebnis Lachen zu können! Wir bedanken uns bei der SMG für die ermöglichte Studienreise.

Angelina, Chiara, Elisa, Fenena, Joana, Julia, Mina, Sophia, Tanja, Vanja